Nachruf auf Ruth Bickelhaupt

Dame Ruth: ein Abschiedsgruß

Im Bühnenhintergrund bewegt sich ganz vorsichtig ein Stückchen Vorhang, eine zierliche Gestalt in Weiß lugt hervor, streckt ein Bein vor und beginnt zu tanzen. Ein stattlicher Herr im Abendanzug nimmt ihre Bewegung auf – und es beginnt ein zärtlicher Pas de deux zwischen dem 30-jährigen Filmemacher Axel Ranisch und seiner 92-jährigen Großmutter Ruth Bickelhaupt. Sie tanzen für den Ehrenpreisträger Rosa von Praunheim.

Mit diesem Moment hat Ruth Bickelhaupt FIRST STEPS Geschichte geschrieben: eine winzige, furchtlose Primaballerina, die das Theater des Westens zu Begeisterungsstürmen hinriss. Es war eine der vielen inspirierenden Begegnungen mit der unfassbar lebendigen, neugierigen Dame Ruth, die nicht zuletzt als Sidekick bei Axel Ranischs FIRST STEPS Moderation im Gedächtnis bleibt. Wie viele Filmmenschen haben mit ihr gespielt und gelacht, gearbeitet und gestaunt, sie bewundert und geliebt! Irgendwann haben wir aufgehört, ihre Geburtstage zu zählen, weil klar war, dass diese lebenslustige, lebenshungrige Traumtänzerin unsterblich ist.

Und sie bleibt es. Ruth Bickelhaupt ist kurz vor ihrem 101. Geburtstag einfach ihrem himmelwärts gestreckten Bein hinterhergeschwebt. Wir Erdgebundenen aber schauen zum Trost nochmal Axel Ranischs wunderbaren Film „Dicke Mädchen“ an, in dem seine heiß geliebte Omi im zarten Alter von 89 ihre erste Hauptrolle spielt und fliegenden Papiertaschentüchern das Tanzen beibringt: „Magic, magic, magic!“

Tanz weiter, liebe Ruth!